Reflexion Postapo-Kasten Pt.#3

80 Stunden Kreativ-Output

Die erste Kritik, die jeder an dem Projekt hier hat, ist natürlich: Das könnt ihr ja nur machen, weil euch alle hier kennen, weil die meisten von euch aus Erlangen sind, weil ihr hier Insider produziert. Dem hätte ich auch erstmal so zugestimmt. Für mich ging es nie darum jetzt tatsächlich auszuprobieren, „ob man mit Kunst überleben kann“ – klar ist das kein Problem, in diesem Rahmen, in 80 Stunden. Die Frage ist ja eher, was genau muss man dafür tun in dieser Zeit, wie gestaltet sich dieser Raum, den man da hat, und mit wem zusammen wird dies geschehen?

Im Grunde gibt es ja drei Kategorien von Besuchern: Freunde und Bekannte von uns. Andere Arena-Menschen, die wir zwar nicht kannten, die aber zum Festival gehören – vor Allem andere Künstler. Und dann natürlich der Erlanger an sich, also: Unschuldige, die sich trotzdem mal her verirren. Den größten Teil machen, natürlich, Bekannte aus. Natürlich gehört die Mama von Lukas und Kili zu den ersten Gönnern der Kastenwesen, und dass der erstandene Aschenbecher in Mitra-Form ein Geschenk für den Vater sein soll, das macht das Basteln noch schöner. Den Kunden werden wir das später verschweigen, oder sagen wir, Informationen kreativ selektieren: „Ja, und das hier, das hat sich eine total nette Dame gewünscht um ihren Ehegatten, der nicht hier ist, zu überraschen“. Je mehr man über die Gönner weiß, desto besser kann man sie natürlich überraschen (wenn Florian Götz sich eine Geschichte über ein Erlangen der Zukunft wünscht, dann wird das Nimini Kolleg darin natürlich eine zentrale Rolle einnehmen).
Dennoch überraschend: Ein fast ähnlich großer Teil der Auftraggeber besteht aus anderen Arena-Künstlern, die sich von uns bespaßen lassen. Mit den Erfurter Ratsgymnasiasten hat jedes Kastenwesen etwas Schönes erlebt, und die feierliche Besuchsprozession der Kopro (mit spontanem Text-, Button-und Ritual-Austausch) gehört zu den ganz erhebenden Erinnerungen. Darin, worin die Produktionswünsche an uns bestehen, unterscheiden sich indess Bekannte, Künstler und der Erlanger (an sich) überhaupt nicht. Eine Sache gibt es, die sie wieder und wieder wollen, alle von ihnen: Bilder, Bilder, Bilder wollen sie, zumeist: Selbstportaits! Jeder will ein Bild von sich. Im Comic-Stil, auf Leinwand, per Photoshop, per Bleistift, völlig egal! Hauptsache das eigene Antlitz, durch Kili interpretiert. Als Lukas am Sonntag noch einmal die fertige Produktpalette sichtet, stellt sich etwas beschämend heraus, dass Kili ungefähr so viel gemacht hat, wie alle anderen zusammen. Und bei jedem Beratungsespräch mit potentiellen Kunden, ob sie nicht eine szenische Performance wollen, ein Manifest im Norma gegen Norma, eine Stück-Rezension, jedesmal die gleiche Antwort: „das klingt schon ganz cool… Aber könntet ihr auch so ein Bild von mir machen?“ Und selbst wenn jemand von Lukas eine Frage beantwortet haben will, brauch er doch wieder Kili, damit der das als Comic umsetzt.
Auch der eine Auftrag, der mit kommerziellen Interessen verknüpft ist, geht natürlich an Kili. Ein Mäzen will ein Logo für sein Unternehmen von Kili, machen wir so was auch? „Also, was ihr mit den Produkten anfangt, das ist uns Kastenwesen völlig egal. Aber Kili macht im echten Leben schon dauernd Logos für Kunden und hat darauf halt kein Bock. Logos stehen nicht in unserem Angebotskatalog.“ Dann holt er seinen richtig guten teuren leckeren Whisky aus der Tasche, und Kili überlegt sich, das Logo einfach als „sehr kleines Propaganda-Plakat“ zu deklarieren, denn das haben wir wiederum im Angebot. Auf eine seltsame Weise war das auch der beste Deal, den wir gemacht haben, denn verhältnismäßig geht das Logo recht schnell – Kili saß ja auch schon mal für nen Schokokuchen über 7 Stunden an Illustrationen. Dass uns dieser Whisky-Deal aber so unheimlich günstig vorkommt, das illustriert wiederum nur, wie schnell sich die Maßstäbe hier völlig verkehrt haben, denn im echten Leben hätte Kili dafür natürlich 300 euro genommen.
Wenigstens in einem sind die Kastenwesen nun schlauer: die Frage, was Menschen von Kulturprodukten eigentlich wollen, die stellt sich gar nicht. Denn das wissen sie selbst am wenigsten. „Ich hätte gerne ein Bild, in dem die Farbe Grün vorkommt, und ein Elefant“ – das, was sie wollen, überhaupt zu generieren, zu suchen, zu finden, das ist die eigentliche Kreativarbeit. Das hatten wir vorher am wenigsten gesehen und am meisten unterschätzt. Die Kastenwesen produzieren keine Dinge, sondern Wünsche. Und wer wollte solche nicht?

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