Reflexion Postapo-Kasten Pt.#5

80 Stunden Lagerfeuermusik

Dass wir überleben würden, daran hat wohl kaum jemand gezweifelt. Die große Frage war von Anfang an das ‘Wie’. Natürlich kennen wir hier viele Leute. Natürlich kamen viele der großen Preise über Bekannte rein. Dennoch waren die meisten Besucher Unbeteiligte, ja, sogar Leute, die mit dem restlichen Festival gar nichts am Hut hatten. Leute, die auch mit uns nix zu tun hatten und dennoch erkannten, dass hier etwas entsteht – unmittelbar entsteht – was eben keine politische, sozialkritische oder sonstige Legitimation braucht. Keine außer der gemeinsamen Begeisterung am kreativen Arbeiten.
Dass diese Arbeit kein soziologisches Experiment darstellt, sondern gewissen Spielregeln unterliegt, wird dabei gerne vergessen. Und diese Regeln sind wichtig und sicher einer der Gründe, warum wir in diesen 80 Stunden so gut leben konnten. Die strikte Weigerung, in dieser Zeit Geld auch nur zur berühren, erzeugt eine gewisse Ehrlichkeit, da die Gefahr eliminiert wird, das Geld für irgendwelchen Blödsinn zu verwenden. Wenn der Bedarf gedeckt ist, ist er gedeckt und auch wenn es am Ende Reste gab, wird dem absoluten Überschuss durch das strikte Limit verfügbarer Arbeitsstunden entgegengewirkt.
Die Reduktion auf ein pseudo-sozialkritisches Experiment lässt allerdings einen viel wichtigeren Aspekt außen vor: Nämlich, dass die Apokalypse an uns als Künstler vorbeigegangen ist. Ja, jeder von uns hatte einen Auftrag zu bewältigen, den wir im Nachhinein als ‘Nemesis-Erfahrung’ tauften – Jobs, bei denen der letztendliche Arbeitsaufwand in keiner Relation zur ausgehandelten Ware stand. Doch dass wir bereits am zweiten Tag im Prinzip selbst bestimmen konnten, welche Preise wir verlangen, das war nicht vorherzusehen. Auf einmal konnten wir selbst entscheiden, auf welche kreative Bearbeitung wir Lust hatten (Kili ausgenommen). Auf einmal war sie da, die kreative Freiheit, von der wir armen Künstlerseelen uns sonst nur träumen trauen.
Wir haben als Künstler überlebt. Die persönliche Apokalypse, das ewige Verstellen und Verbiegen für den Markt, wurde abgewendet. Und dass diese Wunschvorstellung erfüllt werden konnte, ohne dass jemand dafür leiden, ohne dass jemand dafür an den Pranger musste, sollte uns zu denken geben. Vielleicht wird diese Begeisterung für die Kunst, die diese 80-stündige Utopie hervorgebracht hat, irgendwann einmal übergreifen. Vielleicht werden daraus irgendwann einmal 80 Tage. Und was würden wir alle diese Tage lieben.

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